Archiv | November 2011

Der Übeltäter Gentrifizierung?!

Gentrifizierung – ein Begriff, der nicht jedem geläufig ist, aber vielleicht ein bedeutender Grund für die brisante Wohnungssituation in bestimmten Ortsteilen von Hamburg ist. Dieser Text erklärt den Begriff anhand von einer Zusammenfassung mehrerer Experteninterviews und hilft so vielleicht den Studenten zu verstehen, warum es für sie so schwierig ist, in manchen Ortsteilen von Hamburg eine bezahlbare Wohnung zu finden.

 

Michael Sachs, BSU Hamburg Foto: Stadt Hamburg

„Es gibt keine Wohnungsnot in Hamburg. Es gibt eine hohe Nachfrage in bestimmten Stadtteilen, nämlich da wo alle hin wollen.“ Der Wohnungsbaukoordinator der Hansestadt Michael Sachs ist sich des Problems bewusst, dass es sehr schwierig ist, in bestimmten Stadtteilen von Hamburg eine Wohnung zu finden. „Wenn man zwischen Ottensen und Schanze sucht, dann braucht man ungefähr vier Jahre, bis man eine geeignete Wohnung findet. Erweitert man seinen Suchkreis jedoch um einen Kilometer, dann ist man durchaus in der Lage, in einer angemessenen Zeit eine bezahlbare Wohnung zu finden – in Bahrenfeld, in Hamm, im Norden von Wilhelmsburg, im Osten von Hamburg.“

 

 

Christoph Twickel, freier Journalist Foto: privat

Diese Ungleichverteilung der Beliebtheit von Stadtteilen nennen Geographen auch Gentrifizierung. Es ist ein Phänomen, das sich nur in Städten zeigt, die eine Zuwanderung und ein Wirtschaftswachstum haben – so wie Hamburg. Der Journalist und Autor des Buches „Gentrifidingsbum oder eine Stadt für alle“, Christoph Twickel teilt den Prozess in zwei Phasen ein: „In der ersten Phase handelt es sich noch um ein bürgerliches, alternatives und günstiges Wohnviertel, in dem Menschen wohnen, die sich nur billige Wohnungen leisten können – so wie Künstler oder Studenten.“ Diese Pioniere schafften es dann ungewollt, das Viertel für Immobilienmakler und besser Verdienende interessant zu machen. In der zweiten Phase wird es zu einem sogenannten Szeneviertel.

 

 

 

Thomas Pohl, UHH Foto: UHH

In den 80er Jahren habe dieser Prozess in den Stadtteilen Eppendorf und Ottensen stattgefunden, wie der Geographieprofessor der Universität Hamburg, Thomas Pohl weiß. „Ein großes Problem, das die Gentrifizierung mit sich bringt, ist die Allokation. Das bedeutet, dass nun weniger Menschen auf demselben Wohnraum leben und es einen Anstieg von Einpersonenhaushalten gibt. Man benötigt also schlagartig mehr Wohnraum für eine kleinere Anzahl an Menschen.“ Gentrifizierte Stadtteile zeichneten sich dadurch aus, dass ein starkes Angebot an teuren Wohnungen und ein mangelndes Angebot an günstigen Wohnungen herrsche. „Der Anstieg der Mieten in normalen Wohnungen ist in Harvestehude, Rotherbaum, Hoheluft und Eppendorf um 25 Prozent durch die Gentrifizierung gestiegen“, sagt der Professor. Eine Kumulation von gesellschaftlich schwachen Schichten führte somit zu der Entstehung von Problemstadtteilen.

 

Jedoch ist die Gentrifizierung kein typisches Hamburger Phänomen, sondern findet auch in anderen großen Städten statt. Vielleicht ein kleiner wenn auch unbedeutender Trost.

Die verzweifelte Wohnungssuche einer Medizinstudentin

Kathrin Peters* hat mehr als ein halbes Jahr nach einer Wohnung gesucht – fast ohne Erfolg

Foto: pixelio

„Ich liebe Hamburg. Es ist meine Traumstadt, aber ich würde es keinem wünschen, hier auf Wohnungssuche zu sein – schon gar nicht als Student.“ Kathrin Peters ist Medizinstudentin und suchte – wie viele andere Studenten – verzweifelt in Hamburg eine Wohnung. „Ich habe vielleicht auch zu hohe Ansprüche gehabt. Da ich jeden Tag zum Uniklinikum in Eppendorf fahren musste, wollte ich auch gerne in diesem Stadtteil wohnen.“ Jedoch gehört Eppendorf zu den besseren Wohngegenden in Hamburg, was die Suche für bezahlbare Wohnungen für Studenten umso schwerer macht. Das bedeutet: Schlange stehen – und zwar mehrere Stunden lang, bevor man überhaupt eine Wohnung betreten kann. „Einmal wollte ich mir eine Wohnung im Falkenweg anschauen. Ich hatte sogar meine Mutter mitgebracht, da das ja als Student meist gerne gesehen wird, wenn man seinen Bürgen direkt mit dabei hat“, erzählt Kathrin Peters. Jedoch konnte sie ihren Trumpf gar nicht ausspielen. „Immer mehr Menschen sind die Treppe heruntergekommen und meinten, dass sie sowieso keine Stunden nähmen. Ich wollte mir die Wohnung trotzdem mal ansehen. Außerdem standen wir schon zwei Stunden in der Schlange. Nach einer weiteren halben Stunde hieß es dann von oben, die Wohnung sei jetzt vergeben.“  Dabei sei die Wohnung ideal gewesen – auf jeden Fall hätte sie auf den Bildern im Internet so ausgesehen. Deshalb hatte Kathrin den offenen Besichtigungstermin des Maklers wahrgenommen. Sich jedoch gegen mehr als hundert Bewerber durchzusetzen, war von vorneherein so gut wie aussichtslos.

„Ich war verzweifelt, obwohl ich eigentlich schon eine Unterkunft im Studentenwohnheim hatte. Manche müsse die erste Zeit im Hostel oder Hotel wohnen, weil sie keine Wohnung finden. Aber ich habe mich dort überhaupt nicht wohl gefühlt.“ Kathrin hatte es sich angewöhnt, jeden Morgen um sechs Uhr zu duschen, da sie zu dieser Zeit keiner anderen Person begegnete. Besonders keinen Männern, da die Duschen und Toiletten gemischt waren. „Das Kochen in der Gemeinschaftsküche hätte eigentlich sehr nett sein können, aber dort liefen den ganzen Tag die Reiskocher der asiatischen Mitbewohner oder sie ließen Algen garen, die erst nach mehreren Stunden gegessen werden konnten. Als ich einmal lebende Krabben in der Spüle fand, habe ich mir Pizza bestellt.“

Kathrin Peters war bereits auf 20 bis 30 Wohnungsbesichtigungen  – immer ohne Erfolg. Sie hatte ihre Wohnraumsuche bereits erweitert und guckte nun auch im Stadtteil Eimsbüttel. „Eine Anzeige im Internet klang vielversprechend. Jedoch stellte sich das bei der Besichtigung als Trugschluss heraus.“ Nachdem man durch eine Unterführung gegangen sei, hätte dort ein kleines Haus gestanden, in dem die Wohnung besichtigt werden konnte. Vor der Tür hätte ein Mann mit einer benutzten Spritze gelegen und die Gebäude nebenan hätten in der nächsten Zeit abgerissen werden sollen. „Ich bin  mit weiteren 40 Menschen an dem schlafenden Mann vorbei in die kleine Wohnung gegangen. Dort stank es. Leere Wodkaflaschen standen auf dem Tisch, die Steckdosen waren nicht verkleidet und die Besucher rissen der Maklerin die Bewerbungszettel aus der Hand und riefen ‚Ich nehme es!'“. Nicht so Kathrin Peters, sie hat schnell die Flucht ergriffen. „So verzweifelt war ich dann doch nicht.“

Über ein halbes Jahr war  die Medizinstudentin in Hamburg auf Wohnungssuche. Sie stand nun vor einer Entscheidung: Sollte sie ihren Mietvertrag, der eine dreimonatige Kündigungsfrist beinhaltet, schon kündigen, obwohl sie noch keine Wohnung hat? Sollte sie dieses Risiko eingehen oder sollte  sie es in Kauf, vielleicht einen Monat doppelte Miete bezahlen zu müssen? „Ich wollte einfach nicht mehr in meiner neun Quadratmeter großen Studentenwohnung bleiben. Ich wollte dann duschen und kochen, wann ich es wollte.“
Und dann fand sie doch noch ihre Traumwohnung. Zwar konnte sie sich gegen mehr als 100 Bewerber nicht durchsetzen, aber ihr wurde ein WG-Zimmer von zwei Freundinnen aus ihrem Studium angeboten. Ein Zimmer, das an einer vierspurigen Hauptstraße liegt – aber mit Balkon und nur fünf Minuten vom Uniklinikum entfernt ist. „Jetzt bin ich wirklich glücklich. Besonders, wenn ich wieder einen Zettel an einer Straßenlaterne sehe, auf dem steht: ‚ Suche dringend eine Zweizimmerwohnung. Für die Vermittlung zahle ich 500 Euro.‘ Gut, dass ich über solche verzweifelte Methoden, eine Wohnung in Hamburg zu finden, nicht mehr nachdenken muss.“

* Name von Autorin geändert.

„Studenten sollten in den entfernteren Stadtteilen suchen.“

Kurzinterview mit dem Chef der Unternehmenskommunikation der SAGA GWG, Dr. Michael Ahrens:

Michael Ahrens von der SAGA GWG, Foto: SAGA GWG

Inwiefern kann die SAGA GWG für Studenten auf Wohnungssuche hilfreich sein?

Unter www.saga-gwg.de kann man sich als Mietinteressent für bestimmte Stadtteile vormerken lassen. Aktuell werden Monat für Monat zwischen 800 und 900 SAGA GWG Wohnungen im gesamten Stadtgebiet frei. Wir vermitteln besonders günstige Wohnungen, die für Studenten sicherlich interessant sind.

Gibt es bei ihnen spezielle Angebote nur für Studenten?

Wir haben extra Wohnkosten-geförderte Studentenwohnungen in Wilhelmsburg und auf der Veddel. Aktuell wohnen in SAGA GWG-Wohnungen in Wilhelmsburg 255 geförderte Studenten, auf der Veddel 165 (Stand 31. Juli 2011). Das Budget dafür ist ausgeschöpft. Seit etwa einem Jahr finden deshalb keine neuen Vermietungen mehr statt, bestehende Verträge bleiben natürlich gültig. Grundsätzlich gilt: Nur wenn ein Student eine Wohnung verläßt, kann ein Nachfolger einziehen. Die Entscheidung über eine Fortführung oder auch Aufstockung des Programms liegt bei der BSU (Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt).*

Was würden Sie Studenten für einen Tipps bei ihrer Wohnungssuche in Hamburg geben?

Den „einen“ Tipp für einen Stadtteil mit besonders vielen freien SAGA GWG Wohnungen für Studenten gibt es dabei nicht. Es lohnt sich aber, ausgehend vom jeweiligen Standort der Universität – ob nun in Bergedorf, Harburg oder Eimsbüttel – entlang des ÖPNV-Netzes (U- und S-Bahn) in etwas weiter entfernten Stadtteilen wie Harburg, Neuwiedenthal oder Farmsen-Berne zu suchen. In Farmsen-Berne, Jenfeld und Lohbrügge etwa verfügt SAGA GWG noch über freie Wohnungen, die sich auch als WG-Wohnungen eignen. Die Mieten lägen bei ca. bei 250 Euro pro Student, zudem wäre eine Kaution zu hinterlegen.

*Weitere Informationen zu WK-geförderten Studentenwohnungen gibt es hier: http://www.wk-hamburg.de/studium/studentisches-wohnen.html

Wohnungssuche ohne Makler

Hier ist eine Seite, auf der es nur provisionsfreie Wohnungsangebote gibt. Also Maklerfreie Zone:-) Trotzdem sind die meisten Angebote eher für den größeren Geldeutel gedacht. Ein Blick auf die Angebote ist trotzdem empfehenswert.

http://www.lieblingsmieter.de/angebote-suchen/do/Hamburg/?gclid=COjfw67ovawCFcKCDgodxXdBpw

Die Schimmel-Hölle

Susann Schütte* dachte, dass sie ihre Traumwohnung gefunden hätte – bevor sie den Schimmel fand

Den oberflächlichen Schimmel konnte Susann Schütte beseitigen. Das Schlimme waren die Partikel in der Luft. Fotos: selbst erstellt

„Ich habe meine Stiefel nicht mehr wieder erkannt. Sie hatten eine andere Farbe angenommen, weil sie komplett bedeckt waren. Bedeckt von einem Pelz aus Schimmel.“ Susann Schütte dachte, sie hätte ihre Traumwohnung gefunden: Eine Zweier-WG im Erdgeschoss,  Altbau-Jugendstil, mitten in Eimsbüttel. Leider entpuppte sich der vermeintliche Traum als ein Alptraum. Sogar im Sommer saß die Studentin mit dicken Socken unter ihrer Bettdecke, im Winter konnte man es ohne Wärmflasche in der Küche nicht aushalten. Obwohl alle Heizungen auf Stufe fünf gedreht waren, wurde es nicht wärmer, es zog in der Altbauwohnung mit dekorativem Stuck an den Decken. Der Grund: Feuchte Wände. Und diese verursachten nicht nur  Kälte und Unbehaglichkeit, sondern auch Schimmel. „Es war immer sehr muffig und feucht. Beim Einzug habe ich das nicht bemerkt und auch nicht darüber nachgedacht, dass das Haus keinen Keller hat“, erzählt Susann Schütte. Das sei eine Gefahr dafür, dass die Kälte und Feuchte auch von unten in die Wohnung vordringen könnte. „Wir haben mit verschiedenen Mitteln versucht, den sichtbaren Schimmel von den Wänden zu entfernen. Das Schlimme waren aber die Partikel in der Luft.“ Ein Jahr wohnte die junge Studentin in der vermeintlichen Traumwohnung. Erst als der Herbst wieder hereinbrach, wurde ihr das Ausmaß des Schimmelbefalls erst richtig bewusst. „Ich hatte meine Winterstiefel über den Sommer in Kartons verpackt und in der Küche verstaut, damit sie mir nicht im Weg stehen.“ Als sie diese Kartons wieder öffnete, konnte sie nicht glauben, was sie sah. „Meine eigentlich schwarzen Stiefel waren grau-weiß. Eine dicke Schimmelschicht hatte sich über die paar Monate auf ihnen breit gemacht.“ Damit nicht genug: Handtaschen und Jacken, die ein paar Wochen unbenutzt an der Wand hingen, waren von einer Schimmelschicht befallen. „Ich war nahe an einem Nervenzusammenbruch. Nicht nur, dass ich einen großen Schaden hatte wegen der nicht mehr zu gebrauchenden Schuhe, Jacken und Taschen, sondern ich machte mir ernsthafte Sorgen um meine Gesundheit“, berichtet die Studentin. Ein genussvolles Essen in der schimmeligen Küche war nicht mehr möglich. „Ich habe in meinem Zimmer auf meinem Bett gegessen und dabei nach Wohnungsangeboten gesucht. Ich wollte einfach nur noch weg.“ Doch das ist für eine Studentin in Hamburg leichter gesagt als getan.

Viele Studenten nehmen aus Verzweiflung Schimmel an den Wänden in Kauf, nur um eine Wohnung zu finden.

Susann Schütte stand vor dem Problem, dass sie so schnell wie möglich aus ihrer Schimmelwohnung ausziehen wollte, aber drei Monate Kündigungsfrist einhalten musste und nicht wusste, wann sie eine weitere Unterkunft finden und bekommen würde. „Ich habe großes Glück gehabt, dass mich meine Eltern dabei unterstützten. Ich hätte im Notfall auch zwei Mieten gleichzeitig bezahlen können.“ Die Studentin hat sich im Internet die Wohnungsangebote angeschaut und an mehreren Besichtigungen teilgenommen. Eine 30 Quadratmeter-große Wohnung in Barmbek hatte sie ins Herz geschlossen. „Ich wollte diese Wohnung unbedingt haben. Nur gab es, wie immer, noch viele andere Bewerber. Ich als Studentin habe da meist schlechte Karten.“ Doch Susann Schütte zog alle Register und schrieb eine Bewerbung, die sie der Wohnungsgesellschaft vorlegte. Sie stellte sich persönlich den Inhabern der begehrten Wohnung vor und beauftragte ihren Vater, sich ebenfalls dort telefonisch zu melden, um die gewünschte Bürgschaft für seine Tochter persönlich zu bestätigen. „Ich habe wirklich alles getan, um einen guten Eindruck zu hinterlassen.“ Und das mit Erfolg: Tatsächlich hat die Studentin die Wohnung bekommen und wohnt heute in der gemütlichen Singlewohnung in Barmbek.  Und sie musste noch nicht einmal doppelte Miete bezahlen. Auf ihr altes Zimmer in der Zweier-WG in Eimsbüttel meldeten sich noch am selben Tag, an dem die Annonce ins Internet gestellt wurde, mehr als 180 Interessenten. „Manche Studenten waren schon richtig verzweifelt und wohnten bereits im Hotel, weil das Semester begonnen hatte. Sie nahmen es in Kauf, dass sie in eine Wohnung mit Schimmel einzogen.“

Susann Schütte bezahlt für ihre 30 Quadratmeter in Barmbek ohne Schimmel weniger als für ein 16 Quadratmeter großes Zimmer in Eimsbüttel mit gesundheitsgefährdendem Schimmel. „Nachdem meine Mitbewohnerin und ich uns beim Eigentümer beschwert haben, hat er einen Gutachter geschickt. Ich weiß nicht, ob da nun etwas gegen den Schimmel getan wird. Es ist mir mittlerweile auch egal, denn ich fühle mich jetzt richtig wohl.“

*Name von Autorin geändert.