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Bewerbungsemails und Mitbewohnercastings

Stefanie Müller* hat ein halbes Jahr gebraucht, um einen WG-Platz zu finden

 

Foto: pixelio

Studenten leben gerne in Wohngemeinschaften. Aus finanziellen Gründen oder weil sie einfach ungern alleine wohnen wollen. Für Stefanie Müller kam es ebenfalls nicht in Frage, alleine in eine Wohnung zu ziehen. Eine passende WG in Hamburg zu finden, stellte sich aber schwieriger heraus als sie gedacht hatte. Nach unzählbaren Anfragen und Bewerbungscastings hatte sie es schließlich geschafft und fand sich hinterher selbst in der Jury wieder, die entscheiden konnte, wer in die Wohnung aufgenommen wurde und wer nicht.

„Eine zweier- oder dreier-WG, am besten in Eimsbüttel wegen der zentralen Lage –  das waren meine Ansprüche. Ich dachte eigentlich, dass das nicht viel war, aber um diese Bedingungen zu erfüllen, musste ich ein halbes Jahr suchen“, erzählt Stefanie Müller. Die Hamburger Studentin war nicht zum ersten Mal in der Hansestadt auf Wohnungssuche. Zum Studienbeginn musste sie zum ersten Mal eine Bleibe suchen. „Damals habe ich in einem Hostel gewohnt. Schließlich konnte ich für die ganzen Wohnungsbesichtigungen nicht immer von zu Hause zweieinhalb Stunden nach Hamburg fahren.“ Nach einem Jahr war sie in ihrer alten Wohngemeinschaft aber nicht mehr glücklich. „Ich habe mich mit meinem Mitbewohner nicht gut verstanden und mich dort nicht wohl gefühlt. Deshalb habe ich beschlossen, umzuziehen.“ Ein sehr großes Vorhaben – auf jeden Fall in Hamburg und besonders als Studentin. „Der Vorteil jedoch war, dass ich spontan zu Besichtigungen gehen konnte und nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt darauf angewiesen war, eine neue Unterkunft zu bekommen“, erzählt sie. Dass sich die Wohnungssuche jedoch sechs Monate hinziehen würde, hätte Stefanie nicht gedacht.

„Ich war bei etwa 15 Wohnungsbesichtigungen und habe unzählige Anfragen auf Anzeigen im Internet geschrieben.“ Dabei hätte sie immer versucht, so normal wie möglich zu wirken, sich aber doch aus der Menge abzuheben. Schließlich sei es klar, dass man sich gegen mehrere hundert Konkurrenten durchsetzen muss. „Den ersten Schritt hat man schon mal geschafft, wenn man zum Bewerbungscasting eingeladen wird.“ Doch auch dann hätte man es noch mit vielen anderen Interessenten zu tun. Einige Vermieter schickten sogar Doodle-Kalender herum, in denen sich die Suchenden einen Termin aussuchen könnten. „Bei einer Wohnungsbesichtigung musste ich dennoch eine halbe Stunde warten, weil sie mit dem Zeitplan nicht hinterhergekommen sind. Jeder hatte seine bestimmte Zeit, in der er sich vorstellen konnte. Manche brauchten dafür wohl länger.“ Jedoch sei die Wartezeit nicht besonders angenehm gewesen, denn die Wohnung sei – trotz der vielen Besichtigungen – sehr dreckig gewesen. „In der Küche gab es keinen Abstellplatz mehr, weil überall dreckiges Geschirr herum stand. Trotzdem sollten wir unsere Schuhe ausziehen. Das machte auf mich von Anfang an einen schlechten Eindruck.“ Trotzdem hätten die Bewohner über 300 E-Mails auf ihre Anzeige bekommen und es noch nicht einmal geschafft, jedem zu antworten. Eine kollektive Absage sei schon zu viel Arbeit gewesen.

Absagen gehören bei der Wohnungssuche dazu. Foto: pixelio

„Ich habe viele Absagen und Zusagen bekommen. Nur dass ich einziehen wollte und auch die Mitbewohner sich für mich entschieden hatten, dauerte sehr lange. Umso mehr habe ich mich gefreut, als mich mein jetziger Mitbewohner angerufen hat und mir die Zusage mitteilte“, erinnert sich Stefanie Müller. Dass ich die „Kleine Konditorei“ direkt um die Ecke bereits kannte und mochte, war ein großer Vorteil für mich. Doch damit war das Thema Mitbewohnercasting noch nicht beendet. Die WG hatte noch einen Platz frei, also suchte Julia jetzt nicht mehr eine Unterkunft, sondern einen weiteren Mitbewohner. „Diese ganzen E-Mails zu lesen und zu beantworten war sehr viel Arbeit. Besonders neben Prüfungen an der Uni und einem Studentenjob. Ich wollte auch keine Anfrage unbeantwortet lassen, weil ich selbst die Erfahrung gemacht habe, wie gemein das sein kann.“
Einen ganzen Tag lang haben sich Stefanie und ihr Mitbewohner einen Bewerber nach dem nächsten angeschaut.

Die Wohnungssuche ist neben dem Studium eine Belastung. Foto: pixelio

„Ich hätte nicht gedacht, dass die Menschen so unterschiedlich sein können. Manche haben nicht aufgehört zu reden und andere kriegten keinen Ton heraus. Ein junger Mann saß schüchtern vor uns, wippte nervös mit den Händen auf und ab und erzählte, dass er Schauspieler werden wollte. Das passte für mich nicht zusammen.“
Endlich hatten sie sich entschieden und mussten dann nur noch hoffen, dass ihr potentieller neuer Mitbewohner nicht schon eine andere Bleibe gefunden hatte. „Glücklicherweise freute er sich über unsere Zusage. Seitdem habe ich mit dem Thema Wohnungssuche und Mitbewohnercasting erst mal abgeschlossen und hoffe, dass ich mich damit so schnell nicht wieder befassen muss – besonders nicht in Hamburg.“
*Der Name wurde von der Autorin geändert.