Ein Bewerber unter Vielen – Erfahrungsbericht einer offenen Wohnungsbesichtigung

Als Autor dieses Blogs habe ich selbst an einer offenen Wohnungsbesichtigung in Barmbek teilgenommen. Meine Erfahrungen zeigen: Als Student in Hamburg eine Wohnung zu suchen, ist sehr schwer.

Ein passendes Wohnungsangebot in Hamburg zu finden, ist nicht schwer. Im Internet kommen jeden Tag viele Annoncen hinzu – meist mit einer festen Angabe zu einem offenen Besichtigungstermin. Ich habe mich für eine Wohnung in Barmbek entschieden, 45 Quadratmeter für 500 Euro warm. Die Wohnung hat zwei Zimmer, die etwa gleich groß sind: Ideal für eine Wohngemeinschaft,  ideal für Studenten. Leider sind bei dem Angebot keine Bilder zu sehen, aber darauf lasse ich es ankommen.

Ich bin Sonntag pünktlich – kurz vor 14 Uhr – an der angegebenen Adresse. Ich hatte extra noch darauf geachtet, mir die Hausnummer aufzuschreiben, damit ich auch beim richtigen Haus klingele. Das hätte ich mir jedoch sparen können. Schon von weitem sehe ich die Menschenschlange, die bis zum Fußgängerweg reicht. Ich erinnere mich, dass in der Beschreibung stand, dass die Wohnung im zweiten Stockwerk gelegen sei. „Gibt es etwa noch eine Besichtigung im gleichen Haus, zur gleichen Zeit?“ Es handelt sich um ein rot geklinkertes Mehrfamilienhaus, in dem vielleicht mehrere Wohnungen frei werden. Jedoch liege ich mit meiner Vermutung falsch. An die 100 Interessenten sind gekommen, um sich die Wohnung in Barmbek anzuschauen. Ich reihe mich also in die Schlange ein und warte. Da die Wohnung nur 45 Quadratmeter groß ist, können nicht alle Interessenten gleichzeitig die kleinen Räume besichtigen. Es können also nur wieder Menschen in die Wohnung, wenn andere sie verlassen haben.

Die Menschenschlange reicht bis auf den Fußgängerweg. Fotos: selbst erstellt

Die für mich als ideal für Studenten erscheinende Wohnung, scheint auch ältere Menschen zu interessieren, denn ich bin umgeben von Leuten allen Altersklassen. Junge und ältere Paare, Alleinstehende und sogar Teenager, die mit ihrer Mutter als Unterstützung zur Wohnungsbesichtigung gekommen sind – alle sind sie da und sie haben alle eins gemeinsam: Sie sehen alle sehr frustriert und genervt aus. Von hinten höre ich: „Da können wir ja noch lange suchen bei so viel Konkurrenz.“ Der vor mir wartende Mann gibt schon vor der ersten Treppenstufe auf und kehrt um.

Ein Bewerber unter 100 - eine Vorstellung, die Verzweiflung hervorruft.

Langsam geht es vorwärts und ich gelange vom Erdgeschoss in den ersten Stock bis in die zweite Etage. Leider kann ich an den Menschen, die mir die ganze Zeit entgegenkommen, nicht erkennen, ob ihnen die Wohnung gefallen hat. Sie gehen schnell an mir vorbei, so als hätten sie es eilig – vielleicht sind sie schon auf dem Weg zur nächsten Besichtigung. Aber auch dort wartet ja wahrscheinlich wieder eine lange Schlange auf sie.

Nur langsam geht es voran. Es können nur so viele Menschen in die Wohnung, wie wieder herausgehen.

So langsam komme ich der Wohnung näher. Das Paar vor mir reckt schon immer wieder die Köpfe nach vorne, um einen Blick in die Wohnung zu erhaschen. Es stellt sich jedoch heraus, dass das keinen Sinn hat, da man vor lauter Menschen, die um die Tür herumstehen, keinen Blick bekommen könnte. Bis in das dritte Stockwerk stehen noch mehr Menschen. Diese haben aber bereits die Wohnung gesehen und waren anscheinend begeistert, da sie gerade Bewerbungszettel ausfüllen, die sie von der Maklerin erhalten haben. Diese steht am Eingang der Wohnung, verteilt die vielen Zettel und steht für Fragen zur Verfügung.

Endlich habe ich es geschafft, nach 20 Minuten bin ich im Flur angelangt. Und jetzt geht es ganz schnell: Nach links erhasche ich einen Blick in das Wohnzimmer, ein wenig weiter kann ich sogar kurz das Schlafzimmer betreten, jedoch muss ich mich auf die Zehenspitzen stellen, um über die Schulter des Mannes das Badezimmer zu betrachten. Besonders mag ich die Küche, die sehr geräumig  und gut ausgestattet ist. Hier steht auch der jetzige Bewohner, der von vielen Besuchern mit Fragen bombardiert wird. „Was hast du gemacht, um die Wohnung zu bekommen?“

In der Küche steht der jetzige Mieter (links) und beantwortet den Besuchern ihre Fragen.

Ich spreche die Maklerin an, die mir direkt einen Bewerbungszettel in die Hand drücken will. Als ich ablehne, steckt sie das Blatt verwundert wieder in ihre dicke Mappe zurück. Ich interessiere mich nicht für die Wohnung, sondern ich frage sie, ob dieser Ansturm bei Wohnungsbesichtigungen normal sei. Sie deutet nur auf ihre dicke Mappe und sagt:„Das ist nichts Besonderes. Mit diesem Andrang habe ich gerechnet. Normalerweise bekomme ich etwa 100 Bewerbungen, die ich dem Eigentümer übergebe. Dieser entscheidet dann.“ Ich frage sie noch, ob Studenten eine Chance hätten, die Wohnung zu bekommen. Sie erklärt, dass das auf den jeweiligen Eigentümer abhänge. Meist würden aber Berufstätige bevorzugt.

Die Maklerin (rechts) verteilt die Bewerbungszettel und steht für Fragen zur Verfügung.

Ich verlasse die Wohnung wieder. Ich finde, dass es eine sehr nette Unterkunft war, in der ich mich auch wohlfühlen würde – auf jeden Fall nach dem kurzen Einblick, den ich bekommen konnte. Einen genaueren Eindruck habe ich eigentlich nur vom Treppenhaus beim Anstehen bekommen. Dieses gehe ich nun genauso schnell wieder herunter, wie es meine Vorgänger auch schon getan haben. Jedoch hetzte ich zur nächsten Schlange auf einem anderen Besichtigungstermin, sondern kann es mir in meinen eigenen vier Wänden gemütlich machen.  Welch ein Glück, dass ich mich nicht mehr in andere Schlangen stellen muss. Als ein Bewerber unter 100 mit einer fast aussichtslosen Chance darauf, einmal der Mieter dieser Wohnung zu werden.

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